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Miguel Rothschild – Wer’s glaubt, wird glücklich
Berliner Zeitung, Berlin
by Ingeborg Ruthe © 2012
Ingeborg Ruthe trifft den argentinischen Künstler Miguel Rothschild, der katholische Bildmotive hintersinnig verändert. Seine Ausstellung ist zu sehen in der Galerie Kuckei + Kuckei in Mitte.
Vorsicht! Bei Miguel Rothschild, Argentinier, 47, nicht verwandt mit irgendeinem Zweig der berühmten Bankiersfamilie mit dem klangvollen Namen auf Wein-Etiketten, ist alles anders, als man es zu sehen glaubt: Das Sakrale zum Beispiel.
Bei dem einstigen Schüler von Rebecca Horn an der UdK Berlin steht Triviales gegen Erhabenes. „Wer’s glaubt, wird glücklich“, gibt er als Einladung aus. Und daraus entfaltet seine Kunst ihren charmanten, frechen, aber auch tiefsinnigen Humor.
„Verklärung in Notre-Dame Paris“ taufte er sein hier vorgestelltes, allerdings schwer abzufotografierendes Raum-Bild. Man muss es also möglichst im Original sehen, dieses anderthalb Meter breite, leuchtende Diasec (hinter Acrylglas versiegelte Fotografie), das den Blick in eine der berühmtesten Kirchen des Mittelalters zieht. Die Kathedrale schaffte es als Legende bis ins Kino: „Der Glöckner von Notre Dame“ mit Anthony Quinn.
Mehrere Fragmente der berühmten, suggestiv-schönen Glasmalerei-Fenster aus dem 14. Jahrhundert sind zu sehen – überaus prächtig durchs farbige Glas, machtvoll, schön, beruhigend und harmonisch.
Solche Vollkommenheit sollte über alle Zeiten hinweg die sich nach allen Seiten verbreitende Liebe des Göttlichen verkörpern. Aber Rothschild treibt hier sein eigenes Glaubensspiel, das mit der Kunst der Irritation.
Aus den winzigen Farbteilen lässt er im jeweiligen Farbton Schnüre „wachsen“ wie Haare einer Perücke, die sich zum Galerieboden hinab ringeln zu Locken wie von geisterhaften Heiligenfiguren – gar wie die des segnenden Jesu. Und außerdem erweitert der Künstler so den Fotobegriff, denn seine Farbaufnahmen von „heiligen Orten“ formt und deutet er um: zur Folie, zur Projektionsfläche für seine gedanklich und sinnlich so ambivalent wirkende konzeptuelle Kunst zwischen Ernst, Heiterkeit und Proviokation. Und ebenso schafft Rothschild eine merkwürdige Balance aus religiös überhöhten Bildthemen und Alltäglichem: etwa jahrhundertealter kostbarer Glasmalerei – und schnöder, pragmatischer Angelschnur.
Welch witzige, ja ironische Geste gegenüber der Katholischen Kirche und ihrem Bilderkosmos. Religion und Kunst sind dem Argentinier und Wahlberliner, hier im protestantischen bis heidnischen Preußen, Thema und Inspiration. Lustvoll schöpft er den gesamten katholischen Bedeutungskatalog aus ind inszeniert Pathos – um es dann sogleich in Frage zu stellen. Der Katholizismus und seine in einer langen Geschichte zum Erhabenen geronnenen Bildwelten werden verformt, verwandelt, vertrackt, persifliert durch Miguel Rothschilds kühne Eingriffe – bis ins Komische, Obskure, wenn man so will, sogar Ketzerische. Für seine Schau „Happy Believers“ spiele der Künstler, das sagen seine Galeristen, die Gebrüder Kuckei, einmal mehr mit dem Spannungsbogen aus Tradition und Revolte.
Und was kommt dabei heraus? Wohl, neben der ungewöhnlichen Bildästhetik und dem hintersinnigen Unterhaltungswert eine recht eigensinnige Originalität. Sie beweist, dass ein Künstler, dank seiner Kreativität und der Freiheit, die er sich herausnimmt, durchaus beides leben kann: das Alte und das Neue.